Die erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei
Liebe Unioner,
nachdem es in den letzten Wochen vorrangig um die abstrakte Behandlung von Straf- und Ordnungswidrigkeiten ging, soll es sich heute um ein Thema drehen, welches nahezu jede Woche auch bei unseren Spielen vorkommt und jeder von Euch sicher einmal beobachtet hat: die erkennungsdienstliche Behandlung von Fußballanhängern seitens der Polizei.
Die Problematik nach oben gespült hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Bremen vom 27. November 2019 – 92a Gs 708/19. Im Zuge des Erstrundenspiels im DFB-Pokal zwischen Atlas Delmenhorst und Werder Bremen im Bremer Weserstadion kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen der Bremer Fanszene mit der Polizei. Drei Wochen später, am dritten Bundesligaspieltag von Werder gegen den FC Augsburg setzte die Polizei auf Anordnung der Bremer Staatsanwaltschaft nach dem Spiel 179 Werderfans fest und nahm von diesen Ganzkörperlichtbildaufnahmen mit jeweiligen Namensschildern auf. Fast alle der 179 Fans hatten ihren Personalausweis dabei. Die Aufnahmen sollten dem Personenabgleich zu vorhandenem Videomaterial dienen, welches die Polizei drei Wochen zuvor anfertigte, um Straftaten im Zuge des DFB-Pokalspiels zu ermitteln. Drei Fans wandten sich juristisch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung. Das Amtsgericht Bremen gab der Beschwerde schlussendlich statt und hielt die Aufnahme von Lichtbildern für rechtswidrig. Dies hatte den Hintergrund, dass die Lichtbilder nicht notwendig und damit nicht verhältnismäßig im Sinne der Sachaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 Strafprozessordnung waren. Die Betroffenen hätten auch einfach über ihre Personalausweise identifiziert werden können. Eine Strafverfolgung hätte auch gleichermaßen hierüber erfolgreich fortgeführt werden können.
Grundsätzlich ist die erkennungsdienstliche Behandlung, d.h. alle Feststellungen zur körperlichen Beschaffenheit eines Menschen wie bspw. Lichtbildanfertigungen, Fingerabdrücke, anderweitige Messungen von Körperteilen und Körpergröße eine janusköpfige Angelegenheit. Sie kann sowohl repressiv im Rahmen der Strafverfolgung als auch präventiv im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr durchgeführt werden. Hiernach richtet sich sodann auch die Zuständigkeit hinsichtlich des zu beschreitenden Rechtswegs als Betroffener. Dieser kann sowohl vor den ordentlichen Gerichten als auch den Verwaltungsgerichten zulässig sein. Sollte die Behandlung beider Zwecke dienen, so ist auf den Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahme abzustellen.
Geregelt ist die erkennungsdienstliche Behandlung zu Strafverfolgungszwecken in § 81b der Strafprozessordnung. Zum Zwecke der Gefahrenabwehr finden sich die Rechtsgrundlagen in den Polizeigesetzen der Länder. In Berlin ist dies in § 23 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt. Letztgenannte Vorschrift hält auch einige Abwägungen für verhältnismäßig parat.
Der Beschluss aus Bremen zeigt, dass es sich immer wieder lohnen kann gegen einzelne Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden vorzugehen und diese auf ihre Verhältnismäßigkeit durch die Gerichte überprüfen zu lassen. Besonders spannend wird es dann, wenn beispielsweise die oben genannten Lichtbildaufnahmen im Rahmen eines Strafprozesses verwendet werden sollen. Wenn die Maßnahme als rechtswidrig durch die Gerichte herausgearbeitet worden ist, so kann hieraus auch ein Beweisverwertungsverbot der Einführung der Lichtbildaufnahmen erwachsen. Der Täternachweis könnte sodann möglicherweise nicht geführt werden. Folglich steht die Möglichkeit eines Freispruchs in der Sache im Raum oder das Verfahren wird zuvor nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit des Tatnachweises eingestellt werden.
Eisern Union!
Dirk Gräning
Rechtsanwalt